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Deutschland plant neuen Vorstoß in Richtung EU-Militär

JONAS GÜTTLER/PICTURE ALLIANCE VIA GETTY IMAGES

Deutschland plant neuen Vorstoß in Richtung EU-Militär

Wen rufen Sie an, wenn Sie mit Europa sprechen wollen? Die Antwort lautet immer häufiger: Berlin.

Fünf Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben eine Initiative zum Aufbau eines gemeinsamen Militärkontingents gestartet, berichtete die Deutsche Presseagentur am 21. Oktober. Deutschland, Finnland, die Niederlande, Portugal und Slowenien planen, sich auf den Artikel 44 des EU-Vertrags zu berufen. Dieser Artikel erlaubt es den Streitkräften der Mitgliedsstaaten, sich zu einer gemeinsamen Koalition zusammenzuschließen. Es ist geplant, dass die fünf Länder Einheiten mit jeweils 5000 Soldaten aufstellen. Sie erwägen auch Pläne für eine gemeinsame Weltraum- und Cyberstreitmacht. Artikel 44 wurde bisher noch nie aktiviert.

Die EU verfügt bereits über multinationale Kampfgruppen, die jedoch höchstens 1500 Mann stark sind. Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) wird von der EU beaufsichtigt und besteht aus Kräften der Polizei und Küstenwache des Schengen-Raums und nicht aus Militärs.

Sollten die Pläne zur Anwendung von Artikel 44 in die Tat umgesetzt werden, wäre dies ein wichtiger Meilenstein. Die Streitkräfte der fünf Länder bestehen zusammen aus etwa 800.000 Mann. Viele Kampfgruppen könnten mit 800.000 Soldaten gebildet werden.

Einige der Militärs in der Gruppe sind leistungsfähiger als andere. Einem Artikel von Business Insider aus dem Jahr 2018 zufolge beläuft sich die Gesamtzahl der Militärangehörigen in Portugal und Finnland auf 268.500 bzw. 262.050. Das Militärpersonal der Niederlande wurde mit 53.205 angegeben, das Sloweniens mit 7.250. Im Jahr 2018 verfügte die finnische Marine über 270 Schiffe. Die nächstgrößere Marine, die deutsche, hatte 81 Schiffe. Slowenien hatte nur ein Schiff.

Es ist jedoch klar, welches Land über das stärkste Militär verfügt.

Im Jahr 2018 belief sich der deutsche Verteidigungshaushalt auf umgerechnet 45,2 Mrd. US-Dollar. Die Verteidigungshaushalte der anderen Länder beliefen sich zusammen auf 17,8 Mrd. Dollar. Für das Jahr 2021 hat Deutschland ein Budget von 63,8 Milliarden Dollar für die Ausgaben der Nordatlantikvertragsorganisation vorgelegt. Sloweniens Verteidigungshaushalt für 2020 belief sich auf 562 Millionen Dollar. Im Jahr 2018 verfügte Deutschland über mehr Kampfpanzer als die anderen vier Länder zusammen. Auch die deutsche Luftwaffe ist stärker als die der anderen vier Länder.

Deutschland hat eine lange Tradition in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern. Im Jahr 2016 schloss sich die niederländische 43. mechanisierte Brigade der Bundeswehr an, wodurch etwa zwei Drittel der Kommandostruktur des niederländischen Heeres der Kontrolle Berlins unterstellt wurden. 2017 schlossen die Tschechische Republik und Rumänien mit einigen Brigaden ähnliche Vereinbarungen ab. Im selben Jahr unterzeichnete Deutschland mit Frankreich ein Abkommen über den Betrieb einer gemeinsamen Flugzeugflotte.

Mit der vorgeschlagenen Initiative würden die Truppen jedoch nicht in Berlin, sondern in Brüssel stationiert.

Ursula von der Leyen war Deutschlands Verteidigungsministerin, als Berlin die Brigaden seiner Nachbarn aufnahm. Heute ist sie Präsidentin der Europäischen Kommission, dem Exekutivorgan der EU.

Von der Leyen könnte das deutsche Modell der Übernahme anderer Streitkräfte auf die europäische Ebene übertragen.

Was bedeutet das für Europa?

Seit rund 70 Jahren ist die Nato der wichtigste Sicherheitsgarant für Europa. Einige Leute sehen in Europas Vorstoß für ein gemeinsames Militär eine direkte Herausforderung für die Nato. Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly sagte bei einem Treffen mit anderen Nato-Verteidigungsministern: „Wenn ich einige defensive Äußerungen über die europäische Verteidigung höre und wenn ich bestimmte Bedrohungen, auch innerhalb dieser Organisation sehe, sage ich: „Habt keine Angst.“ Parly behauptet, eine vereinte europäische Verteidigung würde die Nato nicht bedrohen, sondern ergänzen.

Es wäre eine große Errungenschaft, wenn Europa sein eigenes, vereintes Militär bekäme. Solange Europa in Bezug auf seine Sicherheit von den USA abhängig ist, kann es nicht allzu sehr von der amerikanischen Politik abweichen. Aber wenn Europa sein eigenes Militär unabhängig von der Nato aufstellte, könnte es in seinem eigenen Interesse handeln.

Dies würde ein geopolitisches Erdbeben auslösen - für Amerika, Russland, den Nahen Osten und die ganze Welt.

„Wenn sich Europa militärisch vereinigt, hätte die Welt eine weitere Supermacht“, schrieben wir in unserem Trends-Artikel „Warum die Posaune Europas Vorstoß in Richtung eines einheitlichen Militärs beobachtet.“ (nur in englischer Sprache verfügbar) „Bis jetzt hat sich Europa im Allgemeinen der US-Politik angeschlossen. Es hatte kaum eine andere Wahl: Amerika war seine wichtigste Schutzmacht. Aber ein Europa mit einem vereinten Militär ist ein Europa, das von den USA unabhängig ist und so in der Lage wäre, den Weltfrieden zu bedrohen. Ist ein solches Europa möglich?“

Europa – und insbesondere Deutschland – versucht immer noch, diese Frage zu beantworten. Die jüngste Ankündigung ist ein Schritt in Richtung Antwort.

Die EU hat insgesamt die zweitgrößte Wirtschaft und die drittgrößte Bevölkerung der Welt. Die Vatikanstadt, der religiöse Sitz von über einer Milliarde Menschen weltweit, liegt in Europa. Über Frankreich hat die EU Zugang zu Atomwaffen. Die EU hat eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Grenze, eine gemeinsame Währung, eine gemeinsame Zentralbank, eine gemeinsame Grenztruppe und eine gemeinsame Raumfahrtbehörde. Sie hat das Potenzial, eine Supermacht zu werden.

Hätte die EU ein vereintes Militär, wäre sie das schon.

Um mehr zu erfahren, lesen Sie bitte „Why the Trumpet Watches Europe's PushToward a Unified Military.“ (nur auf Englisch verfügbar)