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Deutschland hat Merkels Knesset-Rede von 2008 nicht zu Herzen genommen

SEBASTIAN SCHEINER-POOL/GETTY IMAGES

Deutschland hat Merkels Knesset-Rede von 2008 nicht zu Herzen genommen

Merkels Abschiedsbesuch in Israel findet inmitten des wachsenden Antisemitismus in ihrer Heimat statt.

Nicht nur ihre deutschen Anhänger werden enttäuscht sein, wenn die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bald aus dem Amt scheidet. Auch viele Israelis werden traurig sein, sie gehen zu sehen.

In den vergangenen 16 Jahren war Frau Merkel eine treue Freundin der Juden, sowohl jener, die in Israel leben als auch jener, die in Deutschland leben. Sie hat Israel öfter besucht als jeder andere Regierungsschef der Welt. Bei jedem Besuch initiierte sie gemeinsame Kabinettssitzungen zwischen ihrer Regierung und der israelischen – ein äußeres Zeichen der Verbundenheit. Unter ihrer Ägide hat Deutschland erklärt, dass ein Teil seiner Daseinsberechtigung darin besteht, den jüdischen Staat zu schützen.

Aber am wichtigsten für Israel ist, dass Frau Merkel stets die Verantwortung für die entsetzliche, grausame Tötung von 6 Millionen Juden während des Holocausts durch ihr Land übernommen hat.

Im Oktober absolvierte Merkel ihren achten offiziellen Besuch im Staat Israel. Sie traf sich mit führenden israelischen Politikern, hielt eine letzte gemeinsame Kabinettssitzung in der Knesset ab und besuchte zum sechsten Mal Yad Vashem, das Holocaust-Museum in Jerusalem.

Auf der gemeinsamen Kabinettssitzung am 10. Oktober brachte Merkel erneut die Verantwortung Deutschlands für den Holocaust zum Ausdruck. „Die Geschichte der Shoah ist natürlich ein singuläres Ereignis, für das wir in jeder Phase der Geschichte, auch in der Zukunft, weiterhin Verantwortung tragen. Wir befinden uns jetzt in einer Übergangsphase, in der es bald keine Zeitzeugen dieser Verbrechen mehr geben wird, und deshalb müssen wir uns bewusst sein, dass wir diesen Teil unserer traurigen und schrecklichen Geschichte immer in unseren Herzen und in unseren Köpfen behalten, um daraus schlichtweg die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen. Und Deutschland stellt sich dieser Verantwortung.“ Diese Art von aufrichtiger Gesinnung – das Eingeständnis der Verantwortung für den beispiellosen Angriff auf die Juden sowie die Notwendigkeit der Wachsamkeit, damit so etwas nie wieder geschieht – ist ein Markenzeichen von Merkels Annäherung an Israel. Diese Demut und das Verständnis für die tiefen Wunden, die Deutschlands unselige Vergangenheit den Juden zugefügt hat, werden in Israel sehr geschätzt.

Die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland wurden erst 1965 wiederhergestellt. Als der westdeutsche Gesandte Rolf Pauls nach Jerusalem kam, um seinen Posten anzutreten, kam es zu Ausschreitungen auf den Straßen; sein Auto wurde mit Steinen und Flaschen beworfen. Viele israelische Politiker setzten sich vehement gegen die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen ein. In einer Debatte über mögliche Beziehungen in der Knesset erklärte Menachem Begin bekanntermaßen, dass es „weder Absolution noch Vergebung geben dürfe, und dass normale Beziehungen zwischen uns niemals möglich sein werden“. Es gibt immer noch viele Leute in Israel, die zu Recht der Meinung sind, dass die Beziehungen zu Deutschland niemals hätten wiederhergestellt werden dürfen.

Erst im Jahr 2008 durfte eine deutsche Bundeskanzlerin vor der Knesset sprechen. Die bahnbrechende Rede war eine der mutigsten Aktionen von Frau Merkel während ihrer Amtszeit und trug viel dazu bei, die Feindseligkeit zwischen Deutschland und Israel zu überwinden. Der Chefredakteur der Posaune, Gerald Flurry, nannte ihre Rede damals die „bedeutendste Rede eines deutschen Regierungschefs seit dem Zweiten Weltkrieg“.

„Indem sie über die deutschen Gräueltaten an den Juden während des Krieges sprach“, schrieb Herr Flurry, „machte sie die Aussage, auf die einige Menschen seit über 60 Jahren gewartet haben."

Dies war diese Aussage:

Der im Namen Deutschlands verübte Massenmord an 6 Millionen Juden hat unbeschreibliches Leid über das jüdische Volk, Europa und die ganze Welt gebracht. Die Shoah erfüllt uns Deutsche mit Scham. Ich verneige mich vor den Opfern. Ich verneige mich vor den Überlebenden und auch vor jenen, die ihnen geholfen haben zu überleben.

Eine solche Erklärung von Deutschlands Regierungschefin hätte weltweit für Schlagzeilen sorgen müssen, schrieb Herr Flurry damals: „Ich persönlich habe noch nie in meinem Leben eine so reumütige Erklärung von einem mächtigen Weltpolitiker gehört.“ Und dennoch fand die Rede außerhalb Israels keine große Resonanz.

Während die Israelis im Allgemeinen Merkels Rede bewunderten und schätzten, fragten sich andere, ob ihre Reue nur ihre persönlichen Ansichten oder die des deutschen Volkes repräsentierte.

Am Tag nach Merkels Knesset-Rede erschien eine Kolumne in der Jerusalem Post mit dem Titel „Was Angela Merkel nicht laut sagen konnte“. Manfred Gerstenfeld schrieb: „Nur wenige in Israel wissen, dass eine Mehrheit der Deutschen wahrscheinlich nicht mit mehreren Schlüsselaussagen einverstanden ist, die sie hier über die Vergangenheit ihres Landes gemacht hat – einschließlich der Erwähnung von Scham und Schuld“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Leider hat die Zeit bewiesen, dass Gerstenfelds Behauptung völlig richtig ist.

Anstatt Frau Merkels mutiger Führung zu folgen und ihre Scham für Deutschlands Judenvernichtung auszudrücken, schämen sich viele Deutsche zunehmend für ihre Reue vor den Juden.

Im Jahr 2008 war sich Frau Merkel wahrscheinlich darüber im Klaren, dass sie die Herzen der Deutschen zur Reue über den Holocaust bewegen wollte. In derselben Knesset-Rede klang sie fast wie eine Prophetin, als sie erklärte, dass es für die Deutschen entscheidend sei, ihre Schuld am Holocaust zu verinnerlichen: „Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass wir nur dann eine humane Zukunft aufbauen können, wenn Deutschland seine dauerhafte Verantwortung für die moralische Katastrophe in seiner Geschichte akzeptiert.“ Mit anderen Worten könnte man sagen: Wenn die Deutschen ihre Verantwortung für den Holocaust nicht akzeptieren, wird es bald wieder ein unmenschliches Deutschland geben.

Merkel wurde dann sehr konkret:

Wie reagieren wir zum Beispiel, wenn die Gräueltaten der Nazis verharmlost werden? Da kann es nur eine Antwort geben. Jeder Versuch, diese Gräueltaten zu verharmlosen, muss im Keim erstickt werden. Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen in Deutschland und Europa nie wieder Fuß fassen, weil wir sonst alle – die deutsche Gesellschaft insgesamt, die europäische Gemeinschaft, die demokratischen Grundlagen unserer Länder – in Gefahr bringen würden.

Wenn die Deutschen den Holocaust nicht bereuen und der Antisemitismus in Europa nicht ausgemerzt wird, so Merkel, würde sich die Geschichte wiederholen.

Dies waren starke Warnungen einer mutigen Führungspersönlichkeit, die inzwischen zehn Jahre zurückliegen. Doch die jüngste Geschichte zeigt, dass Deutschland die Warnung seiner Kanzlerin nicht beherzigt hat.

Im Oktober haben wir in der Posaune auf die alarmierende Zunahme des Antisemitismus in Deutschland hingewiesen. Im Jahr 2020 gab es in Deutschland die höchste Zahl antisemitischer Straftaten seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2001, nämlich 2275 einzelne Taten, also durchschnittlich sechs pro Tag. Die Bundesregierung berichtete im August, dass es im Jahr 2020 580 antisemitische Straftaten in den ostdeutschen Bundesländern gegeben hat – ein drastischer Anstieg gegenüber den Vorjahren. Im April meldete das Berliner Forschungs- und Informationszentrum für Antisemitismus, dass die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Berlin im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um 13 Prozent zugenommen habe. Im Februar wurde berichtet, dass die Polizei im Jahr 2020 1367 antisemitische Verdächtige identifiziert hatte, aber nur fünf von ihnen festgenommen wurden. Laut einer Civey-Umfrage aus dem Jahr 2020 glauben 33,5 Prozent der Deutschen, dass der Umgang ihres Landes mit Nazi-Verbrechen „übertrieben“ ist.

Anschließend gingen wir auf mehrere kürzlich bekannt gewordenen Fälle von Antisemitismus in Deutschland ein. Am 30. September spielte zum ersten Mal eine israelische Fußballmannschaft im Berliner Olympiastadion. Das Spiel sollte ein Zeichen der Versöhnung sein. Stattdessen wurde eine israelische Flagge verbrannt, ein Mann wurde wegen eines Nazi-Grußes verhaftet und israelische Fans wurden bedroht und beleidigt. Am 4. Oktober wurde dem deutsch-jüdischen Musiker Gil Ofarim in einem Leipziger Luxushotel die Bedienung verweigert, solange er seine Davidstern-Halskette nicht ablegte. Einige Tage später verwüsteten Holocaust-Leugner neun Baracken in Auschwitz-Birkenau und sprühten rassistische Rhetorik und Parolen gegen die Juden – an einem der wichtigsten Orte, an dem Deutschland versucht hatte, die sogenannte „Endlösung“ zu verwirklichen.

Zusammengenommen offenbaren diese Beispiele einen Trend zu mehr Antisemitismus und weniger Verantwortlichkeit für die Gräueltaten der Nazis. Sie zeigen, dass Deutschland trotz aller Warnungen Frau Merkels ihrem Beispiel nicht gefolgt ist. Und da Frau Merkel aus dem Amt scheidet, ist es sehr wahrscheinlich, dass der nächste deutsche Regierungschef nicht dieselbe „Erinnerungskultur“ pflegen wird, die Israel unter dieser Kanzlerin genossen hat.

Wie Herr Flurry im Anschluss an ihre Rede 2008 schrieb, war der nationalsozialistische Geist in Deutschland bereits sehr lebendig. „Ich denke, dass Angela Merkels Rede in der Knesset ein großer Moment für sie war“, schrieb er. „Aber ihre Ansicht wird sich in Europa nicht durchsetzen!“

Woher wusste Herr Flurry, dass Deutschland dem mutigen Beispiel von Bundeskanzlerin Merkel nicht folgen würde? Die jüngste Geschichte hat gezeigt, dass Deutschland es versäumt hat, die volle Verantwortung für den Holocaust zu übernehmen. Die biblische Prophezeiung zeigt auch deutlich, dass die deutsche Gesellschaft dem Geist des Antisemitismus weiterhin Kraft verleihen und erneut versuchen wird, genau das zu tun, wovor Merkel gewarnt hat.

Glücklicherweise zeigt die Bibel auch, dass dies die letzte Auferstehung einer europäischen Macht sein wird, die Israel vernichten will, und dass danach die Geißel des Antisemitismus für immer aus der Menschheit verschwinden wird.

Während Frau Merkel ihre letzten Tage im Amt verbringt, beginnt Deutschland über das Leben ohne seine beruhigende Führerin nachzudenken. Die Israelis fragen sich, was aus den deutsch-israelischen Beziehungen werden soll. Die biblische Prophezeiung enthält die Antworten. Um zu verstehen, wohin sich die deutsch-israelischen Beziehungen entwickeln, und um Frau Merkels mutige, jahrzehntelange Warnung vor dem Antisemitismus in Deutschland zu würdigen, sollten Sie Herrn Flurrys Artikel aus dem Jahr 2008 „Angela Merkels historische Holocaust-Rede“ lesen. (nur auf Englisch verfügbar)